Krisen und Chancen auf dem Ausbildungsmarkt 2021 – Ein Plädoyer für mehr Weitblick

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Die guten Nachrichten zuerst: die Zahl der Ausbildungsabbrüche in Berlin ist aktuell so niedrig wie seit 5 Jahren nicht mehr. Laut IHK wurden 2020 nur 12% aller Ausbildungsverträge aufgelöst, und auch die Zahl der erfolgreich beendeten Ausbildungen bleibt mit über 80% auf konstant hohem Niveau. Ein Ausbildungsplatz bedeutet Sicherheit und Stabilität, und das schätzen junge Menschen in Zeiten der Krise umso mehr wert.

Denn dass die Lage auf dem Ausbildungsmarkt nach einem Jahr Pandemie mehr als angespannt ist, lässt sich kaum ignorieren. Viele Unternehmen sind um ihre wirtschaftliche Situation besorgt und unsicher, ob sie in diesem Jahr überhaupt Ausbildungsplätze anbieten sollten. Bereits 2020 wurden in Berlin 13% weniger offene Lehrstellen gemeldet als im Vorjahr, die Zahl neu abgeschlossener Verträge ging um knapp 18% zurück. In krisengeschüttelten Branchen wie Hotellerie, Veranstaltungswesen, Gastronomie und Tourismus brach das Angebot an Lehrstellen um bis zu 50% ein. Das konnte nicht einmal der plötzliche Run auf Eisenbahner*innen-Ausbildungen – mit einem Zuwachs von satten 45% – wieder wettmachen. Wirtschaftsexpert*innen bereitet diese Entwicklung Sorge. Denn wenn wir jetzt zu kurz denken, zu zögerlich handeln, wird uns der Fachkräftemangel schon in drei Jahren –  so lange dauert eine Ausbildung im Schnitt – empfindlich auf die Füße fallen. Initiative und Weitblick sind gefragt, auch und gerade in Zeiten der Krise.

Circa 28 000 Schüler*innen werden in diesem Jahr in Berlin die Schule abschließen, davon voraussichtlich knapp die Hälfte mit Abitur, ein Drittel mit mittlerer Schulreife und etwa 10% mit Hauptschulabschluss. Gerade die Gruppe der Abiturient*innen könnte Prognosen zufolge 2021 verstärkt auf den Ausbildungsmarkt drängen. Erwartet wird hier ein Zuwachs von bis zu 15%, denn die Alternative der „Online-Unis“ erfreut sich keiner großen Beliebtheit, und auch das sonst schon fast obligatorische Auslands- „Gap Year“ kommt 2021 wohl kaum in Frage. Hier sollten Unternehmen ihre Chance sehen. Ja, die „Pandemie-Generation“ der Schulabgänger*innen 2021 hat einiges mitgemacht – chaotische Lernzustände, eine Prüfungsvorbereitung quasi im Selbststudium, keine Berufsorientierung, die Krise als Dauerzustand – und genau das macht das besondere Potential dieser Jugendlichen aus. Sie haben allen Widrigkeiten zum Trotz die Schule erfolgreich abgeschlossen. Damit bringen sie mehr Erfahrungen in der Selbstorganisation mit als alle Jahrgänge vor ihnen. Digitale Arbeitsformen nutzen sie viel selbstverständlicher als ihre älteren Kolleg*innen. Und nicht zuletzt haben sie die prägende Erfahrung gemacht, mit plötzlich auftretenden gesellschaftlichen Veränderungslagen umzugehen. Orientierung, Sicherheit und Stabilität steht für diese Generation ganz oben auf der Wunschliste – und damit steigt auch der Stellenwert einer soliden Ausbildung erheblich. Es gilt jetzt, in die Zukunft zu investieren und diesen Jugendlichen – und damit schlussendlich auch dem eigenen Unternehmen – eine langfristig gedachte Perspektive zu bieten. Corona ist irgendwann vorbei, und glücklich sind die, die dann motivierten Nachwuchs an der Hand haben.

Natürlich muss hier auch die Politik nachjustieren, klare Perspektiven für die Wirtschaft formulieren und mit flexiblen Überbrückungsangeboten Anreize für den Erhalt der Lehrstellenkapazitäten schaffen. Doch darauf zu warten ist müßig. Vorausschauende Unternehmen sollten rechtzeitig aktiv werden und bei Bedarf auf bestehende Hilfsangebote zugreifen.